SV gedenkt des 9. November mit einer Lesung auf dem Schulhof

Am 9.11.2018 hat sich zum 80. Mal die Reichspogromnacht gejährt.

Diesen Anlass haben wir in unserer Schule genutzt, um mit einer Pausenaktion an dieses grausame Ereignis sowie an die jüdischen Deutschen zu erinnern, die in dieser Nacht und in den nachfolgenden Wochen Opfer dieses Pogroms geworden sind.

Nachfolgend könnt Ihr und können Sie hier noch einmal den Text nachlesen, den Schülerinnen und Schüler unserer SV am Freitag, den 9.11.2018, in der zweiten großen Pause vorgetragen haben.

 

Gedenken an die Opfer der Reichspogromnacht vom 9./10.11.1938

 

Einleitung

Heute jährt sich zum  80zigsten Mal die Reichspogromnacht, die vom 9. auf den 10. November 1938 einen grausamen Wendepunkt in der Geschichte der nicht nur in Deutschland lebenden Juden markiert. Sie war Vorausbote für Auschwitz und machte den Weg frei zur physischen Vernichtung von 6 Millionen Juden.

 

Spr. 1:

Zwischen dem 28. und 29. Oktober 1938 werden ca. 17.000 Juden polnischer Staatsangehörigkeit, die schon viele Jahre z.T. illegal in Deutschland leben, von den Nazis in einer reichsweiten und überfallartigen Aktion gezwungen, ihren Wohnsitz und ihre Existenz aufzugeben, um sie u.a. bei Bentschen über die deutsche Grenze nach Polen abzuschieben.

 

Spr. 2:

Die Zwangsausweisung kommt auch für die polnischen Grenzbehörden überraschend. Unter den gegebenen Umständen sind sie völlig überfordert und reagieren je nach Ort unterschiedlich darauf. Am Grenzübergang Bentschen wird vielen jüdischen Polen die Einreise verweigert. Als die Ausgewiesenen auf die deutsche Seite zurückkehren wollen, sehen sie sich von Maschinengewehren bedroht. Tausende polnischer Juden hausen so – im Niemandsland zwischen der deutschen und polnischen Grenze -, hilflos im Freien, bis die jüdischen Gemeinden in Polen intervenieren und für ihre Landsleute Unterbringungsmöglichkeiten in Warschau und anderswo finden können.

 

Spr. 3:

Zu dieser Gruppe ausgewiesener polnischer Juden gehört auch die Familie von Herschel Grynszpan, der zu diesem Zeitpunkt als mittelloser Siebenzehnjähriger bei einem Onkel in Paris lebt.

 

Spr. 1:

Anfang November erfährt er durch eine Postkarte seiner Schwester Berta von dieser Zwangsdeportation. Grynszpan, dem selbst die Ausweisung aus Frankreich droht, reagiert völlig verzweifelt. Die Demütigung, die seiner Familie durch die Nazis widerfahren ist, provoziert ihn zu einem Racheakt gegen den deutschen Botschafter in Paris.

 

Spr. 2:

Opfer seines Racheaktes wird aber der dritte Botschaftssekretär Ernst vom Rath, der am 9. November an den Folgen seiner Schussverletzungen stirbt. Den Tod des deutschen Diplomaten nutzen die Nazis als Vorwand für die nun folgenden Novemberpogrome.

 

Spr. 3:

Mit Zustimmung Hitlers ruft Propagandaminister Goebbels am Abend des alljährlichen Treffens der NSDAP-Führerschaft anlässlich des gescheiterten Hitler-Putsches vom 9. November 1923 in München zum Pogrom gegen die Juden auf. Anschließend geben die SA-Führer von München aus telefonisch entsprechende Befehle an ihre Stäbe und Mannschaften in ganz Deutschland durch.

Einer dieser Befehle lautet:

 

Spr. 2:

„Sämtliche jüdische Geschäfte sind sofort von SA-Männern in Uniform zu zerstören. Nach der Zerstörung hat eine SA-Wache aufzuziehen, die dafür zu sorgen hat, dass keinerlei Wertgegenstände entwendet werden können. […] Die Presse ist heranzuziehen. Jüdische Synagogen sind sofort in Brand zu stecken, jüdische Symbole sind sicherzustellen. Die Feuerwehr darf nicht eingreifen. Es sind nur Wohnhäuser arischer Deutscher zu schützen, allerdings müssen die Juden raus, da Arier in den nächsten Tagen dort einziehen werden. […] Der Führer wünscht, dass die Polizei nicht eingreift. Sämtliche Juden sind zu entwaffnen. Bei Widerstand sofort über den Haufen schießen. An den zerstörten jüdischen Geschäften, Synagogen usw. sind Schilder anzubringen, mit etwa folgendem Text: ‚Rache für Mord an vom Rath. Tod dem internationalen Judentum. Keine Verständigung mit Völkern, die judenhörig sind.‘“

 

Spr. 1:

Tausende von SA- und SS-Männern machen die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 zu einem Alptraum für die noch in Deutschland verbliebenen Juden. Während der ‚Reichspogromnacht‘ oder ‚Reichskristallnacht‘, wie die Nazis sie beschönigend nannten, werden 1.200 Synagogen in Brand gesteckt, Thorarollen und Gebetbücher entweiht. Auch in Essen brennen die Synagogen: am „Isinger-Tor“ in Steele und an der Steeler Str. in der Nähe zum Stadtzentrum.

 

Spr. 3:

Wie in ganz Deutschland, so auch in Essen, werden jüdische Geschäfte systematisch verwüstet, Schaufensterscheiben eingeschlagen, die Warenbestände entweder vernichtet oder geplündert. Insgesamt 7500 jüdische Geschäfte werden so zerstört.

 

Spr. 1:

Auch jüdische Privatwohnungen bleiben von Verwüstungen nicht verschont.

 

Spr. 2:

Es kommt zur besinnungslosen Hetzjagd auf tausende von Juden.

 

Spr. 3:

Dabei werden 91 Juden von SA-Männern getötet.

 

Spr. 2:

Zugleich werden 35.000 jüdische Männer zusammengetrieben und später in die Konzentrationslager Sachsenhausen, Buchenwald und Dachau eingeliefert, die bereits im Oktober 1938 stark erweitert worden sind, um einige zehntausend zusätzliche jüdische Gefangene aufnehmen zu können.

 

Spr. 1:

Mehrere hundert weitere Opfer sterben in Folge der Pogromnacht in den Lagern an Misshandlungen und Unterkühlung oder begehen aus Verzweiflung Selbstmord.

 

Spr. 3:

Eine aufgebrachte Menschenmenge stimmt den Greueltaten der NS-Schergen in dieser Nacht jubelnd und johlend zu. Andere wieder nehmen schweigend, gleichgültig oder hilflos hin, was sich vor ihren Augen an Menschenverachtung abspielt.

 

Spr. 1:

Das Entsetzen der jüdischen Gemeinschaft über diese ‚Vergeltungsaktion‘, die mit dem Blick auf die internationale Presse als eine spontane Erhebung des deutschen Volkes gegen die Juden ausgegeben wird, findet eine nur verhaltene Reaktion bei ausländischen Regierungen.

 

Spr. 2:

Dagegen löst die Aktion jedoch eine gewisse Beunruhigung in den höchsten Rängen der NSDAP aus. Einige Würdenträger äußeren Kritik an dem Pogrom…

 

Spr. 3:

…aber nicht weil hier unschuldige Menschen brutal in die Existenzlosigkeit oder den Tod getrieben worden sind, sondern weil sie fürchten, dass dieser Pogrom dem ohnehin schon angeschlagenen Ansehen Deutschlands in der Welt weiter schaden könnte.

 

Spr. 1:

Anita Lasker-Wallfisch, geboren am 17. Juli 1925 in Breslau, ist eine

der letzten bekannten Überlebenden des Mädchenorchesters von Auschwitz. Inihrer Rede, die sie anlässlich der Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus am 31. Januar diesen Jahres im Deutschen Bundestag gehalten hat, stellt sie u.a. das fest, Zitat:„Antisemitismus ist ein zweitausend Jahre alter Virus, anscheinend unheilbar.“ Zitatende.

 

Spr. 2:

In einer wissenschaftlichen Untersuchung der OSZE in Zusammenarbeit mit der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem wird die Aussage von Lasker-Wallfisch gerade für Europa mehr als bestätigt. Seit den späten 1990er-Jahren werden hohe Zahlen von antisemitischen Übergriffen verzeichnet, die in Wort und Tat gegen jüdische Einzelpersonen und Gruppen sowie gegen jüdisches Privateigentum und jüdische Gemeindeeinrichtungen geführt werden. Auch in den Schulen nehmen antisemitische Übergriffe zu. Jüdische Schülerinnen und Schüler berichten, wie sie vermehrt auf dem Schulweg oder im Klassenzimmer angefeindet und körperlich bedrängt werden teilweise von eigenen Mitschülern.

 

Spr. 3:

Für Deutschland vermeldet die kriminalpolizeiliche Meldestatistik alleine für die Jahre zwischen 2010 und 2018 fast 12.000 ihr bekannte judenfeindliche Straftaten.

 

Spr. 1:

Antisemitismus, offener Hass gegen jüdische Deutsche ist in unserem Land wieder Alltag. Darum rufen wir euch alle auf: Seid wachsam, wo dumpfer Antisemitismus die Runde macht. Wendet euch laut und deutlich gegen jede Form von Antisemitismus und Rassismus, gegen jede Form von Diskriminierung, wo immer ihr sie erlebt. Denn unser demokratisches Grundbekenntnis verpflichtet uns dazu: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Und sie muss es bleiben.

Danke für Eure Aufmerksamkeit!

Herzliche Grüße zum Zuckerfest

Liebe Mitschülerinnen und Mitschüler, liebe Eltern, liebe Kolleginnen und Kollegen muslimischen Glaubens, wir grüßen Euch und Sie auf Arabisch mit „Eid Mubarak“ und auf Türkisch